Die anderen Merkmale von Hochbegabung 6: Innere Motivation

Zu keinem Merkmal von Hochbegabung fällt mir so wenig ein wie zur besonderen Motivation der Hochbegabten. Das liegt wohl daran, dass ich dieses Merkmal so selbstverständlich finde, so deutlich – inzwischen habe ich das Gefühl, Hochbegabte zuerst und vor allem daran zu erkennen: dass sie mit einer starken eigenen Motivation durchs Leben gehen. Das gilt für Vierjährige, für Jugendliche und für Erwachsene gleichermaßen.
Besonders ist die Motivation bei Hochbegabten, weil sie von innen kommt. Weder Geld noch Status können Hochbegabte so richtig in Fahrt bringen (auch wenn sich sich manchmal für eine Weile durch das eine oder andere verführen lassen können). Viel wichtiger ist das Eigene Thema, der Innere Drang, die Vision. Damit werden sie morgens wach und gehen sie abends wieder ins Bett – auch wenn sie sich oft selbst nicht klar sind, was genau dieses Thema, dieser Drang, diese Vision ist. Denn gerade weil es nicht eine vorverpackte Motivation ist, keine Vision “von der Stange”, sondern eine ganz persönliche Triebfeder, dauert es oft lange, bis die Hochbegabten erkennen was genau sie treibt.
Oft braucht es Umwege und Experimente, werden hier und da Berufe ausprobiert, Firmen oder Verlage gegründet, mal in die Politik, die Kunst oder die Philosophie hineingeschnuppert. Dann wieder wird ganz pragmatisch versucht sich jetzt endlich für irgendwas zu entscheiden und dabei zu bleiben und basta – nur um kurz darauf zu merken, dass solche drastischen Methoden höchstens zu Burn-Out oder Depression führen, den inneren Drang aber nicht wirklich stillen können.
Und dann geht es wieder auf die Suche und oft ist sie gerade dann erfolgreich, wenn man nicht mehr so krampfhaft nach einem Thema sucht, sondern sich damit abfindet, dass man ein facettenreicher Mensch, ein Mensch mit vielen Talenten ist. Und sich endlich erlaubt vieles gleichzeitig zu tun, alles ein bisschen, mal hier mal da und die Experimentierfreude nicht einzuschränken.
Wer sich erlaubt so offen und entdeckend seinen Ideen zu folgen, der wird merken, dass sie sich mehr und mehr kristallisieren. All die Ideen und Wünsche sind nicht zusammenhanglos, nicht zufällig. Schließlich entstammen sie einer einzigen Quelle, einer Persönlichkeit, einer ganz einzigartigen Sicht auf die Welt: deiner.
Nun ist gerade das etwas, das wir in unserer Kultur nicht lernen: die eigene Weltsicht wertzuschätzen. Wir stopfen uns mit Fakten und Formeln zu, wir zweifeln, kritisieren, reflektieren und wir beherrschen die hohe Kunst des Relativierens. Aber uns selbst zuzuhören, unserer eigenen Wahrheit zu glauben darin werden wir nicht geschult.
Neulich las ich wieder mal in Thomas G. Wests großartigem Buch über das Visuelle Denken. Darin beschreibt er Genies wie Einstein, Da Vinci und Faraday. Diese Genies hatten alle besondere Wahrnehmungsweisen, eigenartige Lernstile und Fähigkeiten – vom Stottern, über Beidhändigkeit bis zur Fähigkeit elektrische Strahlungen visuell wahrzunehmen. Wests Buch macht deutlich, dass die beschriebenen Denker nicht trotz ihrer Eigenheiten sondern gerade deswegen zu besonderen Entdeckungen kamen.
Nur wer zu seiner Besonderheit steht, sie entdecken und leben kann, kann auch die eigenen besondere Möglichkeiten und Begabungen wahrmachen. Es ist darum nicht genug, wenn wir hochbegabten Kindern und Jugendlichen Matheaufgaben anbieten oder sie zu Schreibwettbewerben schicken. Sie brauchen eine Umgebung, in der sie ihre Eigenheiten wertschätzen können, mit ihren Möglichkeiten und Begabungen experimentieren können und ihre ganz persönliche Vision und Motivation finden können.
Erwachsene Hochbegabte brauchen das übrigens auch!
Hallo Nathalie, wat een geweldige site! Via Christa gekregen. Je artikel over motivatie(van binnen uit) is heel herkenbaar.
Veel groeten van Emmeke
Lieve Emmeke,
dank je voor je enthousiaste kommentaar! En leuk dat je duits kan lezen!
Groetjes, Nathalie