Die anderen Merkmale von Hochbegabung.

Woran merken Hochbegabte, dass sie hochbegabt sind?
Es gibt ausführliche Listen mit Merkmalen von Hochbegabung anhand derer Lehrer oder Eltern beurteilen konnen, ob Kinder hochbegabt sind. Auf diesen Listen stehen intellektuelle Fähigkeiten wie Merkfähigkeit, Detailwissen und ein großer Wortschatz. Daneben werden Eigenschaften genannt wie eine starke eigene Lernmotivation, ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, kritisches Denken, Kreativität und Autonomie.
Doch wie ist es für die Hochbegabten selbst – was weckt in ihnen den Verdacht, hochbegabt zu sein?

Alle Hochbegabten, mit denen ich bisher darüber gesprochen habe, erzählten mir,  dass sie über viele Jahre – oft  sogar über Jahrzehnte – das Vermuten hatten, mit ihnen sei etwas nicht in Ordnung. Sie fühlten sich auf negative Weise anders. “Wie ein Marsmensch”. “Ich hab es einfach nie geschafft, irgendetwas so zu tun, wie es von mir erwartet wurde”. “Ich war schrecklich einsam”. “Ich fühlte mich wie ein Versager”.
Auch wenn Hochbegabte dann endlich erfahren, was die Ursache ihres Andersseins ist, verändert sich ihr Selbstbild  oft doch nur an der Oberfläche. Tief  im Inneren bleiben bei den meisten starke Selbstzweifel bestehen. Sie fragen sich immer noch, ob sie wohl “in Ordnung” sind, werden von Schuldgefühlen geplagt, machen sich Vorwürfe und haben das Gefühl zu versagen. Ich haber sogar Hochbegabte getroffen, die trotz  mehrerer Doktortitel noch unsicher waren, ob sie ihre Sache gut machten.

Woher kommt dieses negative Selbstbild? Ich vermute, es hat damit zu tun, dass Hochbegabten von ihrer Umgebung immer wieder signalisiert wird, dass sie lästig sind und Umstände machen, Ruhe und Ordnung verstören, Zeit kosten und irritieren. Dass sie trotz guter Schulnoten nicht leisten, was von ihnen erwartet wird.
Gegen gute Schulnoten, gewonnene Wettbewerbe und eine hohe Lernmotivation hat natürlich keiner etwas einzuwenden. Doch diese Glanzleistungen werden nur im Paket geliefert – verbunden mit anderen Eigenschaften, die in unserer Gesellschaft gar nicht so hoch im Kurs stehen.
Von hochbegabten Menschen wird nun oft der Spagat erwartet, nur einen Teil ihrer Hochbegabung zu leben. Den lästigen und umständlichen Teil ihres Geistes sollen sie nur in den eigenen vier Wänden ausleben und anderen damit so wenig wie möglich zur Last fallen.

In den nächsten Wochen möchte ich diese anderen Merkmale von Hochbegabung  ins Rampenlicht stellen und feiern, was so selten gefeiert wird. Mit dem wunderbaren Phänomen des Gedankensprungs werde ich die Reihe anfangen.

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6 Antworten auf “Die anderen Merkmale von Hochbegabung.”

  1. "Ich vermute, es hat damit zu tun, dass Hochbegabten von ihrer Umgebung immer wieder signalisiert wird, dass sie lästig sind und Umstände machen, Ruhe und Ordnung verstören, Zeit kosten und irritieren." …Außerdem kann man nicht unbeschwert sein, wenn man glaubt alles klar und deutlich zu sehen, (auch die eigene Unzulänglichkeit und Insignifikanz) und deshalb Verantwortung zu tragen. Mir kommt es oft so vor, als gebe es Menschen, die dazu bestimmt sind die Protagonisten von Geschichten zu sein, und wirklich zu leben. Und wenige, Andere sind die Autoren dieser Geschichten, befinden sich in einem Zwischenraum und beobachten.

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  2. Hallo Paula,
    danke für deinen spannenden Kommentar!

    Unbeschwertheit wirkt so verlockend. Einfach nur sein ohne den Ballast der Gedanken. Aber ist das nicht auch wie Leben in der Truman Show?
    Wer lebt wirklicher – diejenigen, die unbeschwert ihr Leben leben, als sei es eine Selbstverständlichkeit? Oder ist gerade der Zwischenraum die Wirklichkeit? Der Kampf mit den eigenen Unzulänglichkeiten?

    Sei stolz auf deine Tiefsinnigkeit (hab mich in deinem Blog umgeschaut, und finde es toll, dass du dir Gedanken machst, an deiner Persönlichkeit arbeitest, dich mit spannenden Themen auseinandersetzt…).

    Und: Ein Beschwerter Mensch zu sein, kann auch lustig sein. Wenn man andere Beschwerte findet, mit denen man gemeinsam darüber lachen kann, dass man es sich schwer macht, das Leben nicht leicht nimmt – Willkommen im Club der Nicht-Schwerelosen.

    Liebe Grüße, Nathalie

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  3. Das Leben ist wohl auch nicht (von) selbst_verständlich bzw. verstehbar, aber ich frage mich, ob das überhaupt erstrebenswert wäre?
    (Dazu gibt es übrigens ein schönes Gedicht von Rilke…)
    Manchmal wünsche ich mir das Leben zu erfühlen,nur das als meine Aufgabe zu sehen,in meiner eigenen Geschichte verfangen zu sein, nicht das Gefühl zu haben außerhalb meines Systems zu stehen.

    achja..ich danke dir übrigens für deinen sensiblen Kommentar…Damit hätte ich nicht gerechnet.
    Die Nicht-Schwerelose²

    Ps:Und vielleicht ist Melancholie ja auch eine andere Form der Schwerelosigkeit..Losgelöst von der alltäglichen Stimmungskonstanz durch Gedankenkonstrukte treiben

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  4. "Ich vermute, es hat damit zu tun, dass Hochbegabten von ihrer Umgebung immer wieder signalisiert wird, dass sie lästig sind und Umstände machen, Ruhe und Ordnung verstören, Zeit kosten und irritieren." – Nee. Es hat damit zu tun, dass Hochbegabte neugierig sind plus vernetzt denken können. Resultat: Sie sehen in aller Deutlichkeit, was für ein Irrsinn auf diesem Planeten abgeht, ja mehr noch: schon in der Struktur alles Lebendigen angelegt ist (Fressen und Gefressen werden).

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  5. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  6. Ein sehr schöner Text und Kommentar!

    Es ist so verdammt hart, nicht sagen zu können, was man sieht, weil man es sehen kann oder es doch nur glaubt zu wissen?? Ich kann die Leute doch nocht vor den Kopf stoßen???

    Es fällt mir schwer, mich mitzuteilen, weil ich meine Gedankengänge einfach ständig runterdrosseln muss.

    Small-Talk ist der absolute Wahnsinn und ich
    erscheine wahrscheinlich als arrogant.
    Die Theorie ist die Ebene auf der ich mich wohlfühle, trotzdem ist sie nicht alles… Die Logik alleine macht keinen Menschen..
    Ni

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