Selbstbewusster werden mit Karlsson vom Dach

Ich als KarlssonIch habe mich ja schon in der Frage der Woche , in der kreativen Einladung und in einem pardoxen Vlog mit dem Thema Selbstbewusster werden beschäftigt. Aber mir ist in den letzten Monaten zu dem Thema so viel klar geworden, dass ich hier noch etwas weiter ausholen will.

Selbstbewusstsein hat etwas Magisches. Wer es hat, scheint es einfach so bekommen zu haben, ohne Ausbildung oder Prozedur, als hätte das Universum sich entschieden, nur jedem dritten Menschen ein Päckchen von dieser Wundergabe mitzugeben. Und wer nichts oder wenig davon abbekommen hat, der schaut mit Bewunderung auf jene, die ohne Zweifel durchs Leben gehen. Die sich trauen. Die genau das tun, was sie sich wünschen. Genau die sind, die sie sein wollen.

Weil Selbstbewusstsein nicht in Flaschen angeboten wird, versuchen viele dann zumindest den Ersatz zu kaufen: selbstsicheres Auftreten.  “Selbstsicheres Auftreten durch Augenkontakt”, “Körperhaltung verbessern für ein selbstsicheres Auftreten”. Natürlich sind diese Fake-it-till-you-make-it-Tricks nicht schlecht, aber ob man dadurch wirklich selbstbewusster wird? Ich denke nicht. Denn Selbstbewusstsein hat nichts mit selbstsicherem Auftreten zu tun. Im Gegenteil, ich glaube, dass wir erst dann wirklich selbstbewusster werden, wenn wir uns genau davon verabschieden: aufzutreten.

Frau geht von der Buehne ab

Ich glaube, es gibt nur eine Sache, die uns davon abhält, genau das zu tun, was wir uns wünschen und genau die zu sein, die wir sein wollen: Wir mögen uns nicht wirklich. Und deshalb versuchen wir eine Andere zu werden, eine bessere Version unserer selbst. Die ein bisschen weniger von diesem hat und ein bisschen mehr von jenem. Denn den meisten von uns gefällt nur einen Teil unserer Persönlichkeit. Das ist auch kein Wunder – wir sind mit der Vorstellung aufgewachsen, dass manche unserer Eigenschaften negativ sind. Wir haben im Lauf unseres Lebens gelernt, dass es nicht gut ist, unsicher zu sein, schüchtern, zurückhaltend, ängstlich oder vorsichtig. Aber zu selbstsicher auftreten ist auch schlecht. Womöglich bist du gar arrogant, herrisch, egoistisch, narzisstisch oder dominant?

Was bleibt in diesem Spiel von Gut und Böse ist eine erschreckend schmale Spur des “guten Verhaltens”. Versuchen wir auf dieser Spur zu bleiben, wird unser Leben zu einem Balanceakt. Wir müssen fortwährend nach dem Gleichgewicht suchen. Können nie spontan auftreten, müssen immer auf den Weg achten. Und die Spur ist so schmal, dass kaum zwei Füße nebeneinander passen: Kein Wunder, dass wir uns so nicht selbstbewusst fühlen.

Wer dauernd aufpassen muss, keinen falschen Schritt zu machen, befindet sich im Dauerstress. Klar, dass wir uns deshalb gern auf Dauer und endgültig von diesen negativ besetzten Teilen unserer Persönlichkeit verabschieden. Wäre das nicht Klasse? Sie ein für alle mal aus uns herausschneiden wie die braunen Stellen aus einem Apfel? Dann bräuchten wir nicht mehr aufzupassen, ob wir das Richtige tun. Und wenn wir all unsere schlechten Eigenschaften loswürden und nur die guten übrig blieben – wären wir dann nicht alle bessere Menschen?

Frau baut an ihrem Super Ich

Nein, so funktioniert das nicht. Denn die Teile, die wir loswerden wollen, gehören genau so zu unserer Persönlichkeit, wie jene, die wir mögen. Und der Grund dafür, dass wir nicht selbstbewusst sind, ist nicht, dass wir durch diese ungeliebten Teile daran gehindert werden, unser tolles Ich zu entfalten. Sondern dass unser tolles Ich sich nicht entfalten kann, weil wir ihm fortwährend einen Teil der Kraft abschnüren. Wenn wir die unliebsamen Teile unterdrücken, fehlt unser Persönlichkeit ein Teil ihres Saftes.

Aha. Dann muss ich wohl die negativen Teile meiner Persönlichkeit akzeptieren, damit die positiven sich entfalten können?

Frau haelt Frosch hoch

Nein, so funktioniert das nicht. So lange wir so denken, haben wir uns selbst noch nicht verstanden. Es gibt keine negativen Teile.  Auch das, was wir bisher nicht zu schätzen gelernt haben, ist gut. Denn all unsere Eigenschaften haben eine Geschichte. Wir haben sie aus Gründen. Sie haben sich in uns entwickelt, weil wir sie brauchten oder brauchten. Sie haben Sinn und eine Aufgabe. Sie wollen uns nicht hindern, sondern haben das Beste mit uns vor. Auch wenn das in einer konkreten Situation nicht immer sofort zu erkennen ist. Dafür muss man manchmal doch etwas genauer hinschauen.

Nur schauen wir meistens nicht hin. Unsere erste Reaktion, wenn sich eine unliebsame Eigenschaft zeigt, ist nicht, sie nach ihrer Aufgabe zu fragen. “Warum tauchst du gerade jetzt auf, Angst?” “Was macht dir Sorgen, Unsicherheit?” Wir kommen selten zu diesen Fragen, weil Scham und Wut uns davon abhalten. Die meisten von uns schämen sich sehr, wenn sie sich dabei ertappen, ängstlich oder unsicher, vorlaut oder dominant zu sein. Wir haben unser Leben lang mitbekommen, dass diese Eigenschaften negativ bewertet sind. Wir wollen sie nicht in uns erkennen. Wollen sie wegstecken, bevor sie womöglich noch durch andere bemerkt werden. Und schnell kommt dann auch die Wut. Wut auf uns selbst. Wir haben uns selbst doch schon so oft ermahnt, bloß nicht schüchtern, vorlaut oder herrisch zu seni. Warum tun wir nicht, was wir von uns erwarten? Warum werden wir immer wieder schwach, zeigen immer wieder diese unglaublich peinlichen Eigenschaften? “Warum bin ich nur so ….” “Wie konnte ich nur”. Warum können wir nicht so glänzend und strahlend wie jene wunderbaren selbstbewussten Wesen, die uns tagtäglich in den Medien begegnen? Warum werden wir dieses schwache Ich nicht los? Wir strengen uns doch so an, es zu unterdrücken, wir rennen doch so hart, um es abzuhängen, wir stecken doch so viel Energie darein, es zu bestreiten.

Mann drueckt sich Kehle zu

Statt die unliebsame Angst oder Dominanz genauer anzuschauen, unterdrücken wir sie. Wir versuchen sie unter die Wasseroberfläche zu verstecken, aus der Sicht der anderen, aus unserem eigenen Blickfeld. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass sie, wenn wir sie nur lange genug unter Wasser halten, irgendwann aufgibt und verschwindet.

Nur so funktioniert das nicht. Desto stärker wir diese Teile von uns selbst unterdrücken, desto lauter werden sie. Das ist nur logisch: Wir hören nicht, was sie uns erzählen wollen, also greifen sie zum Megafon. Wiederholen sich hundertausendmal. Stellen rieisige Plakatwände auf. Bis die Hälfte unserer Persönlichkeit mit nichts anderem beschäftigt ist als schüchtern, dominant oder ängstlich zu sein.

Dabei könnten wir es so leicht haben: Indem wir gleich hinschauen. Gleich zuhören. Gleich akzeptieren, dass ein Teil von uns nicht ganz dem Bild entspricht, das wir uns von uns gemalt haben.

Es ist erstaunlich, wie schnell die Unsicherheit verstummt, wenn wir ihr liebevoll über den Kopf streichen und sagen. “Ich verstehe dich. Du hast recht, es ist schwierig. Wir können doch ganz langsam machen”.  Wenn wir uns gehenlassen und entdecken, wie spaßig es sein kann, eine herrische Frau zu sein. Wie schön es ist, seltsam zu sein.Arbeit am Selbstbild

Seltsam ist hier das Schlüsselwort, der Schlüssel zum Selbstbewusstsein. Denn seltsam kommt von selten. Das bedeutet doch nur: Eine wie dich gibt es nicht nochmal. Keine andere hat diese ganz besondere, einzigartige Mischung an Eigenschaften und Persönlichkeit. Du bist ein Unikat. Wie langweilig, wenn du versuchst, eine andere zu sein. Andere gibt es schon genug – dich gibt es nur einmal. Und keine andere kann Du sein. Wenn du es nicht tust, wenn du nicht als genau die schillernde, einzigartige, schillernde, seltene und seltsame Du auf dieser Welt erscheinst, dann bist du uns verloren. Denn keine andere kann diesen Part übernehmen.

Darum: Lern dich kennen. Entdecke all die selten-seltsamen Besonderheiten, mit denen du uns überraschen und die Tristesse der Hochglanzbildchen durchbrechen kannst. Sei du und hab dich lieb.

Dann brauchst du nicht mehr auf der Spur zu bleiben. Kannst mit beiden Beinen springen, tanzen, trampeln. Kannst laut und leise, wild und zurückhaltend, dominant und vorsichtig sein. Du brauchst dich nicht mehr zurückzuhalten, nicht mehr zu zensieren, nicht mehr die Hälfte deiner Persönlichkeit im Zaum zu halten.

Und dann, wenn es dich schon längst nicht mehr interessiert, ob du selbstsicher auftrittst, wirst du eines Tages merken, dass du es längst tust: Du bist dir deiner sicher, weil du nicht mehr zweifelst, ob du gut bist. Und du wirst merken, dass du selbstbewusst bist: dir selbst bewusst. Du weißt, wer du bist, was alles zu dir gehört und versuchst nicht mehr eine andere zu werden. Und dann, wenn es dir längst nicht mehr wichtig ist, stark zu sein, weil du deine Schwächen magst, wirst du deine Kraft fühlen, diese unbändige Kraft, die wir haben, wenn wir ganz wir selbst sind. Du willst nicht größer und nicht kleiner sein, nicht lauter und nicht leiser, sondern genau das richtige Maß von allem: deins. Dann wirst du die wunderbare Kraft des Karlsson vom Dach entdecken, dem einzigen Selbstbewusstsein-Guru, den wir brauchen. Wenn wir wie Karlsson denken, kommt das selbstbewusster werden ganz von selbst.

“Ich bin ein schöner und grundgescheiter und gerade richtig dicker Mann in meinen besten Jahren und der beste Karlsson der Welt in jeder Weise!” (Astrid Lindgren, Karlsson vom Dach)

Also los: schreib dir ein schönes Karlsson-Mantra und sag es jeden Morgen auf. So lange, bis du es glaubst. Bis du dir glaubst. Bis du nur noch eins von dir erwartest: dass du du bist.

Mein Karlsson-Mantra heißt zur Zeit:

 

Ich als Karlsson vom Dach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie heißt dein Mantra? Wer ist für dich ein wunderbar-unperfektes Selbstbewusstseins-Vorbild? Eine Figur aus einem Buch oder Film? Jemand, den du im echten Leben begegnet bist? Großtante Elise, weil sie mit Gummistiefeln unterm Seidenkleid den Garten umgrub und dabei laut die Marseillaise sang? Oder eine Fantasiefigur, die du dir selbst erschaffen hast und die so herrlich frech und fröhlich an deiner Seite spaziert. Es ist erstaunlich, wer und was uns inspirieren kann, uns selbst so zu mögen, wie wir sind. Und es lohnt sich, nach solchen Wesen Ausschau zu halten. Fitnessgurus und Selbstoptimierungsfanatiker gibt es an jeder Ecke drei, aber eine wie dich, so ganz einzigartig und so du wie eben nur du sein kannst, die gibt es nur ein mal. Sei froh, dass du dich entdeckt hast!

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10 Antworten auf “Selbstbewusster werden mit Karlsson vom Dach”

  1. „Sei du und hab dich lieb.“ Und weißt du was? Ich hab diesen Blogpost und alles drumherum lieb. Nämlich. Du grundgescheite wunderbar seltsame Frau, du.

    Honigkuss von der seltsamen Sandra mit den seltsamen Haaren

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    1. Nathalie Bromberger 5. Mai 2016 um 15:39 Uhr

      <3 Sandra!<3

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  2. DU! Nur du allein! Bist so. So toll. Ich aber auch. Irgendwie (muss noch ein bisschen üben… ) Ich glaub, ich hab so Facetten-Augen, wie Fliegen… Ich seh mich nämlich nicht nur selbst als selt-sam, das ginge ja noch. Sondern auch immer, wie alle andren mich selt-sam angucken. Nich so einfach…
    Aber was ich immer, immer wieder gern angucke, sind deine Zeichnungen. Und immer grinse ich dabei. Ich LIEBE sie. Und dich natürlich auch, du seltsam flügelohriges Wesen!
    Maria

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    1. Nathalie Bromberger 5. Mai 2016 um 22:35 Uhr

      Ja, Maria, diese Facetten-Augen hatte ich ja auch lange – das Gefühl, in den Augen der anderen seltsam zu sein. Und sie finden uns ja auch wirklich seltsam – aber wenn wir seltsam positiv formulieren, dann macht es nichts, dass die anderen sich wundern. Über unsere flügelohren, facettenaugen und wilden Gedanken. Also ja: üben, üben, üben, bis du dran glaubst, dass du selten wunderbar bist!. <3

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  3. Es gibt Momente, in denen man stark sein muss, obwohl man Angst, schreckliche Angst hat. Das ist so eine ganz zwiespältige Situation – einerseits die Angst zuzulassen und andererseits zu sagen: “Ich mach das jetzt, obwohl ich Angst hab. Ich bin stärker als die Angst.” Und wenn man sich später zurückerinnert, weiß man, dass man vieles schaffen kann – trotz der Angst, die einen vielleicht wieder hinterrücks überfällt. Das steht auch nicht im Widerspruch dazu, die Angst anzunehmen, zu akzeptieren. Sondern nur, wenn du etwas annimmst, etwas akzeptierst, kannst du sagen: “Und trotzdem!”

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    1. Liebe Simone,

      du hast so recht. Ich kenne diese lähmende Angst, die es zu überwinden gilt, auch.

      <3
      Christine

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    2. Simone <3, ich glaub, die Angst zu akzeptieren, ist die wahre Stärke. Sehr viel leichter gesagt als getan natürlich. Aber ich glaube wirklich, dass es so ist: Die Angst ist OK, verständlich, gewachsen, und in ihrem Ursprung ja auch vernünftig. Sie ruft: "Ich will nicht, dass alles anders wird. Ich will dieses dunkle Loch nicht. Ich will nichts Neues". Sie ist da und sie geht mit auf dem Weg. Und genau, wie du schreibst: Du bist stärker als die Angst. Viel mehr als die Angst. Die Angst ist nur ein Teil, kann nicht herrschen, weil die Liebe ja viel größer ist. In Zeiten solcher Angst ist Selbstbewusstsein eben "meiner Angst bewusst sein". Und akzeptieren, dass ich ein kleines ängstliches Menschlein bin, das langsam und in kleinen Schritten trotzdem vorwärts kommt.

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  4. Liebe Nathalie, ein sehr schöner und weiser Artikel. Und die herzallerliebste Karlssonfigur der Welt! ?
    Übrigens wage ich zu bezweifeln, dass es diese hyperselbstbewussten, nie zweifelnden Wesen überhaupt gibt. Das ist auch nur eine Facette der Persönlichkeit, die da zu sehen ist. Um die ganze differenzierte Persönlichkeit zu sehen, muss man die Menschen erstmal kennen lernen und sie nicht nur in den Medien bewundern.

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    1. Nathalie Bromberger 7. Mai 2016 um 14:10 Uhr

      Danke liebe Corinna! Du hast recht, diese “perfekten” Wesen gibt es nicht, wir halten sie uns wohl nur in unserer Phantasie selbst vor :-).

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