Die Kunst mir selbst beim Träumen zuzuhören

Autorin hört sich selbst beim Träumen zu

Als ich anfing, an meinem kreativen Businessplan zu arbeiten, stellte ich mir vor, dass ich mich als ersten Schritt mit meinen Werten beschäftigen müsste. Ich hab jede Menge Bücher über soziales Unternehmen gelesen, sehr bewegende und inspirierende Biografien und Pamphlete von sozialen UnternehmerInnen wie Anita Roddick, Tony Hsieh, Adam Braun und Blake Mycoskie. Und ich bin mir sicher, dass ich diese Bücher noch sehr gut werde gebrauchen können – aber nicht im ersten Schritt. Denn das Nachdenken über die Wege und Werte dieser Unternehmer hat mich von dem weggeführt, was ich doch gerade als Ausgangspunkt nehmen wollte: Das was mein Herz zum Funkeln bringt. Es entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik, wie ich es immer wieder schaffe, mich selbst auf Umwege zu bringen. Aber gut – inzwischen habe ich es ja begriffen. Und auch, warum es so schwer ist, mich erst mal auf das zu konzentrieren, was mir selbst wirklich wichtig ist. Ich habe eben nie gelernt, meine Träumen zu hören.

 

1. Unerhörte Träume

Ich habe mir auch nie erlaubt, meinen Träumen wirklich zuzuhören. Ihnen mit Zeit, Geduld und Offenheit zu lauschen, bis sich sich mir in allen Details erzählt haben. Sie nicht gleich nach den ersten drei Sätzen zu unterbrechen und zu rufen: “Ich weiß, was du meinst”. Sie nicht gleich mit Etiketten zu belegen: “Aha, ein Kleinverlag”.  Und ihnen nicht mit voreiligem Geplane die Luft zum Atmen zu nehmen: “Jetzt sind schon drei Monate vorbei und wenn du bis zur Buchmesse zwei Bücher veröffentlichen willst, dann aber los!”

Träume sind wild und groß und frech und vor allem neu und unbekannt (sonst wären es ja keine Träume). Das macht Angst. Und verlockt dazu, das Wilde und Unbekannte zu bremsen und es so schnell möglich zu entängstigen. Sie zu zähmen und zu beschneiden und so lange an ihnen herumzudrücken, bis sie handlich sind und wir sie erkennen. Weil wir genau das schon mal irgendwo gesehen haben. In echt oder im Fernsehen oder in einer Hochglanzzeitschrift.

Autorin stopft ihren Traum zurück in den Kopf

Träume brauchen Zeit und Raum. Sie erzählen sich nicht innerhalb einer bestimmten Frist. Im Gegenteil: Wenn wir unseren Träumen eine Deadline stellen, verziehen sie sich entmutigt oder sie versuchen sich hysterisch in eine machbare Form zu zwängen. Nur wenn wir ihnen wirklich Raum geben, ihnen erlauben sich breit zu machen und mit all ihren Schnörkeln zu entfalten, trauen sie sich aus ihren Schlupfwinkeln.

Was dann kommt ist anders als erwartet und überraschend und frisch. Und doch, sobald sie sich erzählen, erkenne ich sie schon, diese Träume. Denn ich weiß wo sie herkommen – nämlich direkt aus dem Herzen – und ich verstehe, was sie mir bedeuten.

 

2. Die Träume der Anderen

Mir zuhören heißt auch, meine Träume auf sanfte aber bestimmte Weise vor den Träumen der Anderen zu schützen. Das ist gar nicht so leicht.

In den letzten Monaten hat mich immer wieder überrascht, wie stark andere auf meine Verlagsgründung reagierten. Ganz toll waren die vielen „Mach das!“ und „Großartige Idee!“-Rufe. Und ich bekam ganz viele liebe Angebote, mein Vorhaben zu unterstützen. Ganz vielen lieben Dank dafür! Doch manchmal, nachdem die ersten Begeisterungsschreie verstummt waren, geschah etwas Lustiges: Dann erzählten mir die Anderen wie sie sich meinen Verlag vorstellten.

Begeisterte Freunde erzählen, wie sie sich meinen Verlag vorstellen.
Am Anfang haben mich diese Kommentare irritiert. Denn der Verlag in meinem Kopf sah ganz anders aus. Die Anderen sprudelten mit ihren Ideen schon los, bevor ich dazu gekommen war, meine zu schildern. Doch dann fiel mir ein, dass ich oft genau so auf die Ideen von Freunden reagiert hatte. Erzählte Anna mir von ihrer Idee, ein Café zu eröffnen, sah ich Holztische und Vasen mit frischen Blumen vor mir und jede Menge Kunst an den Wänden. Und als Anton mir von seinen Theaterplänen erzählte, träumte ich für ihn begeistert von einer ganz neuen Art Marionettentheater. Natürlich hatten Anna und Anton selbst ganz andere Ideen.

Vielleicht (nein, sicher), wäre es höflicher, erst nachzufragen, was genau die Anderen sich erträumen, bevor man die eigenen Ideen dazu loslässt. Aber andererseits – ist es nicht wunderbar, wie ansteckend Träumen ist? Wie wir einander mit unseren Wünschen und Ideen inspirieren und einander verleiten, schlummernde oder längst vergessene Träume wieder zu beleben? Ist es nicht ganz bezaubernd, wie Träume, Funken gleich, durch den Raum fliegen und sich vermehren? Solange wir anderen unsere Ideen nicht aufdrängen, sondern einfach genießen, dass es so viele wunderbare Träume gibt, kann doch nichts passieren. Denn Ideen kann es nie genug geben. Und Träume nie zu viele. Seit ich mir das klargemacht habe, kann ich entspannt lächelnd den Anderträumen zuhören und sie in Gedanken in eine Dose schieben die heißt: “Wie andere sich meinen Verlag vorstellen”. Ich bin mir sicher, in einer späteren Phase werde ich diese Ideen gut gebrauchen können. Sie helfen mir dann bestimmt, meine Ideen mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Aber jetzt noch nicht – jetzt geht es nur um meine eigenen Verlagsträume.

[box type=”warning”] Bevor du weiterliest: Hast du auch einen Verlagstraum? Wie stellst du dir den idealen Verlag vor? Wer arbeitet da? Wie sehen die Räume aus? Und vor allem: Was für Bücher entstehen dort? [/box]

3. Lernende Träume

Was, ich soll nur zuhören? Wie können sich meine Träume denn dann entwickeln? Ich will doch, dass sie wachsen und lernen. Muss ich sie nicht testen und prüfen? Schauen ob sie verwirklichbar sind?

Künstlerin baut Hütte während sie in Gedanken ein Traumschloss vor sich sieht. “Sorgfältig prüf ich meinen Plan; er ist groß genug; er ist unverwirklichbar” – hat Brecht geschrieben. Es ist ein großer Irrtum, dass wir unsere Träume beschneiden und kritisieren und auf Machbarkeit prüfen sollen. Pläne machen wir mit dem Verstand, Träume mit dem Herzen. Wenn wir an unseren Träumen rumschnibbeln, nehmen wir uns das, was uns den Mut gibt, unsere Pläne voranzubringen: Eine Vision, die aus dem Herzen kommt und mit Herzkraft angetrieben wird. Es geht nicht darum, die Träume auf Machbarkeitsniveau zusammenzuschrumpfen. Das Machbare, das was wir auf unsere To-Do-List schreiben, das sind Pläne. Pläne sind auch wichtig. Sie helfen uns, das Schaudern zu ertragen, das uns überkommt, wenn wir die Größe unserer Träume erkennen. Pläne helfen uns auch, den Mut zu behalten, weil sie uns erlauben, einen kleinen Schritt nach dem anderen zu machen.  Sie helfen uns, unsere Pläne immer wieder an unseren Träumen zu messen.

Aber unsere Träume? Die brauchen wir genau so ungestüm und unglaublich, wie sie in uns auftauchen. Und so bunt und glühend, wie sie uns durch die Adern strömen. Es ist der Kontrast zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte, der uns in Bewegung bringt. Und immer weiter treibt. Auch wenn Plan A erfüllt ist. Und Plan B auch. Denn Träume sind größer als all unsere Pläne. Es ist keine Schande, am Ende unseres Lebens unsere Träume nicht in all ihrer Größe wahrgemacht zu haben – dafür sind sie da. Eine Schande  – oder einfach sehr schade – wäre es, wenn wir vor lauter Pläneschmieden und Planerfüllung vergessen, was wir eigentlich wollen. Was da in uns glüht und ruft: Ich bin dein Traum, lass dich verlocken, lass dich mitnehmen ins Abenteuer.

Wenn unser Plan kein Abenteuer ist, ist er zu klein. Dann haben wir nicht mal versucht, einen Zipfel unseres Traums zu erhaschen, sind im Morast der Vernünftigkeit steckengeblieben. Das Schwierigste bei der Arbeit an meinem Businessplan war genau das: Immer wieder Pläne über Bord zu werfen und Kurs aufs Abenteuer zu nehmen. Nicht zu früh festzulegen, nicht zuviel zu rechnen, nicht zu kleine Brötchen zu planen und nicht zu früh das Festland anzusteuern.

Gedanken beim Zeichnen eines Comics

4. Wachsende Träume

Träumen ist schön, aber auch sehr viel Arbeit. Tatsächlich bin ich ausnahmsweise mal richtig stolz auf mich, weil ich mich selbst immer wieder mitgerissen habe, mich herausgefordert noch ein bisschen mehr Wind zu fassen und mich ganz vorn aufs Boot zu stellen, wo die Gischt mir um die Ohren wehte. Und hier und da hab ich schon eine Ahnung von meinem Traum bekommen. Es ist nicht der, den ich dachte. Er ist wild und überraschend. Lustig und ernst. Bunt und voller Tiefgang. Ein Traum eben.

Heißt das, dass Träume stillstehen? Dass sie sich nicht entwickeln? Dass ich nichts an ihnen verändern darf? Quatsch – natürlich verändern sie sich. Aber nicht, weil ich das mit dem Kopf entscheide. Nicht weil ich sie zu Plänen degradiere oder ihnen die Abenteuerlichkeit nehme. Sondern weil ich mich verändere. Weil mein Herz sich verändert. Weil mit allem, was ich tue, mit jedem Gespräch, das ich führe und jedem Schritt, den ich ins Ungewisse setze, meine Erfahrung wächst. Und mit meiner Erfahrung wächst mein Traum. Ich und mein Traum – wir lernen zusammen, wir wachsen zusammen.

 

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Und was genau erträume ich mir für den Zacken-Verlag? Das kommt dann nächste Woche.

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Ein kleines Update. Diesen Artikel hab ich vor zwei Jahren geschrieben. Den Verlagstraum gibt es noch, der Zacken Verlag hat jetzt schon sechs Produkte veröffentlicht und die nächsten sind in Arbeit. Das Bücherachen macht genauso viel Spaß, wie ich erwartet habe. Aber der Verlagstraum hat mir noch viel mehr Schönes gebracht. Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt und mich in vielen neuen Rollen ausprobiert (von der Verlagsvertreterin bis zur Finanzfrau),  bin jetzt auch  Bücherfrau und  Gewerbetreibende, und ich freu mich immer wieder, wenn ich mich als Verlegerin vorstelle. Denn, und da war ich mir am wenigsten sicher, ob dieser Teil mir liegen würde: Mir macht das Unternehmen Spaß. Es macht mir Spaß, zu planen und zu kalkulieren, zu netzwerken und zusammenzuarbeiten. Und es macht mir Spaß, dass all die vielen Seiten meiner Persönlichkeit jetzt unter einem Dach zusammenleben können. Manchmal führt das zu inneren Kämpfen, wenn die Illustratorin und die Grafikerin sich nicht übers Papier einigen können oder die Nachhaltigkeitsbeauftragte und die Finanzfrau unterschiedliche Druckereien beauftragen wollen. Wenn die Autorin das Manuskript nicht rechtzeitig abschickt und die Verlegerin darum den ganzen Tag knatschig ist. Aber jeder dieser inneren Kämpfe lässt mich wieder etwas lernen, meinen Traum vertiefen und mir neue Abenteuer ausdenken. Wie schön, dass Träume mitwachsen.

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Sieben gute Gründe für den eigenen Verlag

Seit ich den Zacken Verlag gegründet habe, bekomme ich nicht nur jede Menge sehr positiver und unterstützender Reaktionen. Sondern immer wieder auch die eine Frage: “Warum hast du dich entschieden, einen eigenen Verlag zu gründen?” Ich habe lange über diese Frage nachgedacht – es scheint mir wichtig, dass ich mir über die Motive meiner Gründung im Klaren bin. Dass ich nicht falschen Idealen oder alten Wahnbildern hinterherlaufe, sondern wirklich das tue, was für mich jetzt und heute richtig ist. Trotz oder wegen allen Nachdenkens kann ich nicht in zwei Sätzen antworten. Hinter meiner Entscheidung liegt ein langer Prozess. Angefangen hat er schon, als ich gerade erst lesen konnte.

 

1. Bücher machen

Es gibt wenige Erinnerungen aus meiner Kindheit, die sich in mir so lebendig erhalten haben, wie die an meinen ersten Besuch auf der Frankfurter Buchmesse. Ich muss damals um die sieben gewesen sein. Viel von dem, was die Erwachsenen dort miteinander besprachen, habe ich nicht verstanden, aber eins begriff ich bis in mein kleines waches Herz: Diese Leute machten Bücher! BÜCHER!!!! Das musste man sich mal vorstellen! Es hätte mich nicht mehr beeindrucken können, wenn sie Geld oder Gold gemacht hätten.Männer mit Bärten reden über Bücher

 

Und noch eins war mir sofort klar: Das will ich auch! Ich träumte nicht wie andere Leseratten in meinem Alter davon, Schriftstellerin zu werden. Mir ging es nicht nur ums Schreiben – so gerne ich das auch gemacht habe – oder das Zeichnen – so fasziniert ich auch davon war. Bücher waren für mich immer schon ein Gesamtkunstwerk, aus Einband und Seiten, Bildern und Schriften, Worten und Geschichten. Und bei einem guten Buch passt alles zusammen: Vom Gefühl, wenn man mit den Fingern über den Einband streicht, über das Gewicht des Buches auf dem Schoß, der Spannung beim Öffnen der Seiten (und wie weit ich meine damals noch kleinen Arme dabei ausbreiten musste), dem Geruch des Papiers, seiner Farbe und Struktur (weiß oder gelblich, glatt oder offen?) und dann wie sich Text und Bild in diesem Zusammenspiel verhalten. Wie der Blick vom Text zum Bild schweift. Wie Sätze frei auf Seiten schweben oder Wort an Wort sich auf dem Papier drängen. Wie jeder Aspekt eines Buches einen Teil der Geschichte erzählt.
Das Allertollste an Büchern aber ist: Man kann sie machen. Man braucht nicht Gott zu sein oder Alchimist. Man braucht auch keine Erwachsenen dafür und muss nicht um Erlaubnis fragen. Man braucht nur Papier und Stifte. Und Leim oder Tesafilm. Das ist alles. Dann hat man ein Buch!!! (Ich hab auch Bücher aus Stoff, Blättern, Cornflakeskarton und einem alten Telefonbuch gemacht. Und gebunden habe ich sie mit Garn, Schrauben, Papierstreifen, Draht oder gar nicht – dann waren es Faltbücher). Wieviele Bücher ich schon gebastelt habe? So um die Hundertmillionentausendsiebenzwölfneunzehndrei.

 

2. Bücher mit Geist machen

Meine ersten Bücher habe ich (mit)veröffentlicht als ich noch sehr jung war, in den Niederlanden, wo ich nach meinem Studium in Amsterdam geblieben war. Die Erfahrungen waren nicht so toll. Zwischen der tollen Buchidee und dem fertigen Produkt lagen Welten. Ein Buch habe ich gar nicht mehr erkannt, als es im Buchladen lag. Das war kein schönes Gefühl. Damals nahm ich mir vor, sowas nie mehr mit einem meiner Bücher geschehen zu lassen. Natürlich kann ich auch heute nicht all meine tollen Buchideen eins zu eins verwirklichen. Manches geht technisch einfach noch nicht (Fliegendes Buch). Anderes wäre so teuer in der Produktion, dass niemand das Buch kaufen könnte (handgemachte Bücher) oder nur sehr reiche Leute und das ist ja nicht der Sinn von Büchern. „Macht Bücher billiger“ rief Brecht, und das habe ich nicht vergessen.  Die Kompromisse, die ich mache, um ein Buch zu realisieren, müssen zu seinem Inhalt passen. Der Geist des Buches darf nicht verlorengehen.

Daran festzuhalten ist sehr schwer, wenn ich mit Verlagen zusammenarbeiten will. Die meisten Verlage scheinen sich nicht so sehr für den Geist eines Buches zu interessieren, sondern denken mehr darüber nach, in welches Regal es passt. Kolleginnen haben von ihren Lektoren deshalb so absurde Vorschläge bekommen wie: „Machen Sie doch aus dem Protagonisten ein Mädchen – dann verkauft das Buch sich besser“. „Flechten Sie noch eine Liebesgeschichte ein, sowas mögen unsere weiblichen Leser“. „Können Sie noch ein paar Tiere einbauen? Das verkauft sich im Moment gerade sehr gut“. „Wir können ihr Buch in unserem Fantasyprogramm veröffentlichen, aber dann müssen da noch ein paar Elfen oder Drachen rein“.  „Streichen Sie all die Informationen aus Ihrem Technikbuch für Kinder – wir machen ein Kritzelbuch draus“.

Ich will keine Zugeständnisse mehr an die Qualität meiner Bücher machen. Natürlich kann man über das Wort „Qualität streiten“. Für mich hat Qualität mit Geist zu tun.

Ein Buch, in dem Geist steckt

 

3. In meinem Tempo Bücher machen

Noch ein großer Nachteil an der Zusammenarbeit mit Verlagen ist für mich das Tempo. Verlage planen sehr langfristig und arbeiten langsam. Im Vergleich: Ein Bilderbuch von 30 Seiten, das ich in einem Monat bei bod veröffentlichen kann, braucht, wenn ich mit einem Verlag zusammenarbeite, eher anderthalb bis zwei Jahre. Dadurch kann ich nicht auf aktuelle Themen eingehen. Vor allem aber hindert das meinen kreativen Prozess. Denn ich kann in der Zeit während der Verlagsverhandlungen eigentlich nicht an dem Buch arbeiten – zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Verlag Änderungswünsche hat und ich alles nochmal überarbeiten oder gar ganz neu anlegen müsste. Ich will an meinem Projekt zeitnah arbeiten, wenn meine Begeisterung noch ganz frisch ist. Liegt das Exposé schon ein Jahr in der Schublade, wenn der Verlag sich meldet, dann bin ich inzwischen vielleicht mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Natürlich KANN ich mich an den Rhythmus der Verlage anpassen, aber ich will es nicht. Für meinen eigenen Verlag hab ich dieses Jahr  schon zwei Bücher fast druckfertig gemacht, zwei weitere sind halb fertig – wenn ich wollte (und das Geld hätte) könnte ich alle dieses Jahr noch veröffentlichen. Beim Tempo motivierter SelbstverlegerInnen kann kein großer Verlag mithalten.

Schnecke mit Aufschrift Verlag

4. Gerechte Bücher machen

Meine Erfahrung und die vieler Kolleginnen, mit denen ich im letzten Jahr geredet habe, ist: Die großen Verlage haben UrheberInnen immer weniger zu bieten. Denn:

  • Sie zahlen schlechter: AutorInnen, IllustratorInnen und ÜbersetzerInnen bekommen oft nur noch die Hälfte von dem, was vor zehn Jahren üblich war.
  • Was früher selbstverständlich war, ist es jetzt nicht mehr: Marketing, Zusenden der Druckfahnen, festangestellte Lektorinnen, die Autoren über Jahre begleiten.
  • Verlage sichern sich alle Rechte, die denkbar sind.
  • In den meisten Verlagsverträgen steht, dass die Autorin innerhalb einer bestimmten Zeit (zum Beispiel 5 Jahre) kein ähnliches Werk veröffentlichen kann, das diesem Werk Konkurrenz machen könnte. An sich aus Sicht des Verlages ein recht verständlicher Wunsch. Für mich als Kreative aber ungünstig.
  • Arbeite ich mit kleinen Verlagen zusammen, bekomme ich genauso wenig Tantiemen, oft nicht mal einen Vorschuss, aber muss doch alle Rechte abgeben. Zudem kommen die Bücher kleiner Verlage oft genauso wenig in die meisten Buchläden wie die von Selfpublishern. Und kleine Verlage haben meist noch weniger Budget fürs Marketing als große.

Natürlich habe ich als Selfpublisherin noch weniger Budget fürs Marketing und noch mehr Probleme, in den Buchladen zu kommen, aber ich bekomme deutlich mehr Prozente vom Erlös. Ob ich am Ende am Buch auch mehr verdiene wird sich zeigen – schließlich bekomme ich bei den großen Verlagen einen Vorschuss, den ich nicht zurückzahlen muss, auch wenn sich kein einziges Buch verkauft. Aber für mich fühlt sich das Selbstverlegen im eigenen Verlag einfach besser an. Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, mich so schlecht bezahlen zu lassen. Wie kann es sein, dass alle VerlagsmitarbeiterInnen, BuchhändlerInnen und Grossisten vom Handel mit Büchern angemessen bezahlt werden, aber die UrheberInnen (AutorenInnen, ÜbersetzerInnen und IllustratorInnen) nicht? Da stimmt doch etwas Grundlegendes nicht.

Autorin bekommt ein kleines Stück vom Kuchen – das ist im eigenen Verlag anders.

UrheberInnen sollten mehr bekommen als ein paar Prozent.

5. Bücher gestalten

Vielleicht fällt mir die Entscheidung zur Verlagsgründung leichter als anderen AutorInnen, weil ich auch Grafikerin bin. Ich weiß, wie man ein Buch für den Druck vorbereitet. Ich kann vom Cover bis zum Klappentext alles selbst machen. Außerdem verfüge ich über ein Netzwerk, in dem sich viele tolle Lektorinnen, Marketing- und PR-Fachfrauen tummeln. Ich weiß, wo ich die kompetente Unterstützung bekommen kann, die ich für meine Buchprojekte brauche. Und das finanzielle Risiko und der Aufwand sind viel geringer als früher: Kleine Auflagen lassen sich heute kostengünstig drucken (Ebooks haben selbst gar keine Druckkosten) und Dienstleister wie bod oder Amazon können VerlegerInnen eine Menge Arbeit abnehmen. Dem eigenen Verlag scheint nicht mehr viel im Weg zu stehen!

 

6. Bücher verschicken

Heute frage ich mich eher, warum es so lange gedauert hat, bis ich mich entschieden habe, meinen eigenen Verlag zu gründen. Vielleicht hatte ich so oft gehört, dass kleine Verlage keine Chance haben, dass ich den Wunsch gar nicht erst zugelassen habe. Vielleicht auch hat es mit meinem Bild von Verlegern zu tun – die Verleger in  meiner Erinnerung sind Männer mit runden Bäuchen und vollen Bärten, die mit schwierigen Worten über schwierige Bücher reden. Nicht wirklich geeignet als Identifikationsfigur. Vor allem aber hab ich wohl gedacht, dass VerlegerInnen nur die Bücher von anderen veröffentlichen. Und auch wenn mich das für die Zukunft reizt, erst brennen mir ein paar eigenen Projekte auf der Leber, die unbedingt in die Welt wollen. Ich musste erst die Welt der kleinen Comics kennenlernen. Das war eine Entdeckung: Übers Netz für ein paar Dollar oder Pfund kleine liebevoll handgemachte Comics kaufen. Die in liebevoll verpackten und signierten Päckchen dann den Weg über den Ozean in meinen Briefkasten fanden.

Durch den Briefkästen fällt ein handbeschriftetes Päckchen: So wünsch ich mir den eigenen Verlag

Bestell doch auch mal einen Comic direkt bei einer KünstlerIn – nichts schöner, als solche Überraschungs-Päckchen.

7. Erwachsen Bücher machen

Zum Schluss hat bei der ganzen inneren Diskussion aber ein Argument gewonnen: Ich bin erwachsen! Ich kann und ich will die Verantwortung für meine Bücher selber übernehmen. Ich brauche niemanden, der mir Zustimmung gibt, ob ich etwas veröffentlichen darf. Was AutorInnen sich alles gefallen lassen! Keine MalerIn käme auf die Idee in ihr Gemälde ein bisschen mehr rot oder ein paar kleine Maikäfer einzubauen, nur weil ein Galerist meint, so verkaufe es sich besser. Irgendwann habe ich für mich entschieden, dass ich als Autorin und Illustratorin genau so arbeiten will, wie meine malenden Freunde. Jetzt will ich auch als Verlegerin so arbeiten: Jedes Buch ist ein Gemälde, eine Skulptur, ein Stück Graffiti auf einer Häusermauer. Ich habe keine Angst davor, meine Arbeiten in die Welt zu schicken. Wem sie gefallen, der möge sich an ihnen erfreuen. Wem sie zu dies oder zu das sind, der möge sie ignorieren oder nach Belieben zerreißen.

Bunte Schrittte für den eigenen Verlag

Als Verlegerin setze ich jetzt auch auf Mut und Spaß (Illustration: Nathalie Bromberger)

 

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